Walter
Vietor
Kleinzechen in Bochum-Querenburg – eine Zeiterscheinung
nach dem Zweiten Weltkrieg
In den
Jahren der Kohlennot nach dem Zweiten Weltkrieg schossen die
Kleinzechen wie Pilze aus dem Boden, so auch in Querenburg.
Die Anlagen entstanden beinahe über Nacht auf den Feldern
und verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren.
Nach knapp 15 Jahren war die hektische Zeit der Kleinzechen
vorüber.
Beim
Betrieb der Kleinzechen gab es drei Beteiligte: die
Landwirte, die Unternehmer und die Belegschaften.
Die
Landwirte lockte das rasche Geld. Sie stellten auf ihren
Feldern das Gelände für die Übertageanlagen und die Zufahrt
zur Verfügung, vereinbarten vertraglich die Höhe der
monatlichen Pacht (200 – 500 DM), die Lieferung der
Hausbrandkohle und die Höhe der Abgabe je geförderter Tonne
Steinkohle (1 – 2 Mark), sofern sie auf Ansprüche bei
Bergschäden verzichteten. Das „dicke Ende” trat in der Regel
dann ein, wenn die Kleinzechen zahlungsunfähig ihren Betrieb
einstellten und auf dem Acker der ursprüngliche Zustand
wieder hergestellt werden sollte. Den Schaden trugen die
gutgläubigen Landwirte, die sich auf das risikoreiche
Geschäft eingelassen hatten. Eine Bäuerin von der Stiepeler
Straße brachte ihren Unmut wie folgt auf den Punkt: „Die
Viehhändler von früher waren schon schlecht, aber die
Kleinzechenbesitzer von heute sind noch viel schlechter”.
Die
Betreiber der Kleinzechen, die die Gunst der Stunde nutzten,
waren Leute mit kaufmännischem Unternehmungsgeist, aber
leider auch Spekulanten, die es verstanden hatten,
rechtzeitig für sich Schürfrechte zu sichern. Unter den
Inhabern befanden sich Firmen aus allen Teilen Deutschlands,
die die Versorgung ihrer Betriebe mit Steinkohle sichern
wollten.
Die
Belegschaften setzten sich zusammen aus erfahrenen Hauern,
Bergleuten im Ruhestand, die ihre Rente mit guten
Schichtlöhnen aufbessern wollten, und noch unerfahrenen
jüngeren Bergleuten. Die Fluktuation war unverhältnismäßig
hoch. Die Bergleute der modern fördernden Tiefbauzechen
sahen auf ihre Kollegen in den primitiv arbeitenden
Kleinzechen lässig herab, nahmen sie also nicht für voll.
Wer als Bergmann einer Kleinzeche auf einer großen
Schachtanlage um Einstellung nachsuchte, bekam große
Schwierigkeiten.
Leider
ereigneten sich in den Kleinzechen viele Arbeitsunfälle, vor
allem auf „Lieselotte” und Blennethal „Neuffer”, meist
bedingt durch eine unzureichende Einhaltung der
Sicherheitsvorschriften und die Tücken des Gebirges. Die
monatlich unangemeldeten Besuche der Anlagen durch einen
Sicherheitsbeamten des Bergamtes, die in einer Befahrung und
Prüfung des Betriebes bestanden, konnten das hohe
Unfallrisiko nicht mindern.
Die
Bergbautechnik war denkbar einfach: Wo man ein abbauwürdiges
Flöz vermutete, wurde wie in alter Zeit mit dem Spaten ein
Loch gegraben, eine Art Pinge. Wurde man fündig, stellten
die Bergleute 3 Hölzer zu einem Dreieck auf. Danach wurde
der Haspel, eine Art Rolle, befestigt, an dem sich das
Förderseil auf- und abwickeln ließ. Die Kraft zum
Herablassen oder Heraufziehen des Förderwagens lieferte ein
Dieselmotor. Größere Anlagen setzten Elektromotoren ein. Der
Kompressor sorgte für die Druckluft zur Betätigung der
Abbauhämmer.
Das Einfallen des tonnlägigen Schachtes war schräg in die
Erde hinein und entsprach der Lagerung des Flözes. Die
Kleinzechen erreichten immerhin Tiefen von 150 m. Im Bereich
des Ruhr-Siedlungsverbandes haben die Kleinzechen 1949
insgesamt 380000 t und 1952 1,3 Mio. t Steinkohle gefördert.
Die Qualität der Kohle konnte allerdings mit der aus den
Tiefbauzechen nicht mithalten, weil sie zu viel Gestein
enthielt. Immerhin haben die Kleinzechen mit zusammen 5700
Mann Belegschaft etwa 1 % der gesamten Kohleförderung
erreicht und zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen.
Damals waren die Kohlen der Kleinzechen, selbst wenn diese
viele Steine enthielten, von privaten Unternehmen so teuer
erworben worden, dass bis zu 180 DM pro Tonne gezahlt
wurden.
Ein großer Teil der Kleinzechen wurde auf Grund plötzlich
eintretender Störungen im Gebirge und großen Wassereinbruchs
sowie mangelnder Rentabilität stillgelegt. Von den 478
Kleinbetrieben im Ruhrgebiet im Jahre 1951 waren inzwischen
300 wieder verschwunden. 1955 bestanden in Querenburg noch 9
und in Bochum 39. Wie weit sich das Abkohlen nahe der
Erdoberfläche noch auswirken wird, bleibt der Erfahrung
einer späteren Zeit vorbehalten. So lagen 1955 im Busch
unterhalb des Sportplatzes nördlich der Kakaowiese und
südlich der Siedlung an der Lennershofstraße Bergemassen
bzw. –halden und Gerümpel umher. Kleine Tagesbrüche waren in
der näheren Umgebung der Kleinzechen eingezäunt. Leider
waren auch einige Bäume umgestürzt, weil ihre Wurzeln keinen
Halt mehr fanden (s. Bild Kleinzeche Blennethal). Am
21.Oktober 1954 fiel um 1.30 Uhr auf der Westerholtstraße am
Eingang des Thönehofes (Buschmann, Elling) mit lautem Krach
ein äußerst ungewöhnlich tiefer Bruch. Dieses geschah in dem
Augenblick, als ein Lastzug mit Anhänger über diese Stelle
fuhr. Der Anhänger saß mit den Achsen am Trichterrande fest,
Angeblich sollten ältere Stollen den Bruch verursacht haben.
Die
Bevölkerung von Querenburg hat diese Form des Bergbaus wenig
geschätzt. Der Lkw-Verkehr auf den wenigen schmalen
Verkehrsstraßen war eine Belastung. Die stillgelegten
Kleinzechen hinterließen meist Gerümpel und verunstalteten
die Landschaft. Oft fielen in der Umgebung der Kleinzechen
kleinere Tagesbrüche, die gesichert werden mussten. Lästig
war auch das Quietschen der Förderanlagen und das Rattern
der Kompressoren von früh morgens bis spät abends. Die
Betroffenen haben dem endgültigen Aus der Kleinzechen um
1958 keine Träne nachgeweint. Der Bergbau nahe der
Erdoberfläche bildete nur eine kurze Episode.
Nachfolgend werden die Kleinzechen vorgestellt, die 1955 in
Querenburg gefördert haben. Sie förderten nahezu alle nur
Fettkohle.
Kohlenflözschichten-Graphik im Wittener und Bochumer Raum
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