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Heven im Stadtgebiet Witten /
Ruhr
Jörgen Beckmann
Die
durch den Bevölkerungsanstieg bedingte
Flächennutzungsänderung in Heven
Heute
leben in Heven auf 597 ha 12000 Personen. Inzwischen sind 31 %
der Hevener Fläche bebaut und 13 % sind Verkehrswege. Es ist
aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, daß dieses Hevener Gebiet
bis vor 250 Jahren nur maximal 250 Personen ausreichenden
Lebensraum bot. Die ältesten Kirchenbücher des Kirchspiels
Herbede, zu dem auch Heven bis vor 100 Jahren gehörte, nennen
aus dem 17ten und aus der ersten Hälfte des 18ten Jahrhunderts
in Heven 30 Familien. Anhand der darin aufgezeichneten
Amtshandlungen des Pastors wie Taufen, Trauungen und
Beerdigungen kann man auf eine Bevölkerung von etwa 200 bis 250
Personen schließen. Da die Herbeder Orgelspenderliste aus dem
Jahre 1611 nahezu dieselben Hevener Familien nennt wie die ab
1693 geführten Kirchenbücher, kann man annehmen, daß sich
während des 17ten Jahrhunderts die Einwohnerzahl Hevens kaum
verändert hat. Sie hat wohl auch in den Jahrhunderten davor
(mit Seuchen bedingten Einschnitten) den Höchststand von 250
nie überschritten.
Mit
Beginn des Bergbaus konnte das Holz als Energielieferant durch
Kohle ersetzt werden. Die hiesigen Bauern konnten nun
Waldflächen roden, um ihre Ackerflächen zu vergrößern.
Größere Ackerflächen ließen größere Ernten erwarten. Da
nun Nahrung und Energie für den Menschen lebenslimitierende
Faktoren sind, konnten sich nun Menschen aus anderen Gebieten
hier niederlassen, denn der Bergbau und die langsam wachsende
Industrie benötigten Arbeitskräfte. Doch da zu jener Zeit die
Infrastruktur wie Straßen und Wasserwege schlecht waren, war
der Bevölkerungsanstieg noch begrenzt auf das Nahrungsangebot
der Umgebung. Bei Mißernten traten hier dann wie nach den
Befreiungskriegen (!813-1815) Hungersnöte auf. Mit der
Schiffbarmachung der Ruhr konnte ab 1790 die hiesige Kohle und
das aus Unna mit Pferdefuhrwerken über den „Hellweg“ nach
Heven transportierte Salz ruhrabwärts bis zum Rhein und weiter
gelangen. Im Hevener Salzhaus wurde das Salz bis zur
Verschiffung gelagert. Der Einsatz der Dampfmaschinen
ermöglichte den Tiefenbergbau, wobei man wissen muß, daß für
die Förderung einer Tonne Kohle bis zu 6 Tonnen Wasser an die
Oberfläche gepumpt werden mußten.
Doch
erst mit dem Bau der Eisenbahn um 1850 und dem Bau besserer Wege
war das Nahrungsproblem im hiesigen Raum gelöst, denn jetzt
konnten aus deutschen Überschußgebieten Getreide- und
Kartoffellieferungen innerhalb eines Tages hierhergeschafft
werden.
Da
zur Verhüttung des Eisens mehr Kohle als Eisen benötigt wird,
schaffte man das Eisenerz zur Kohle. Somit wuchsen im hiesigen
Raum neben dem Bergbau die Eisen- und Stahlindustrie und somit
die Bevölkerung. Der erste Bevölkerungseinbruch kam in Heven
mit der Schließung der Zeche Helene 1896 und nach dem ersten
Weltkrieg. Mit der Aufnahme vieler Heimatvertriebener nach dem
zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten stieg
die Einwohnerzahl Hevens auf das Doppelte an. Ihren höchsten
stand mit fast 14000 Einwohnern erreichte sie 1975. Jetzt
stagniert sie bei etwa 12000 Einwohner.
1750
Jahr
1863
Jahr
1992
Jahr
Die
Bevölkerungsdichte wird durch die Faktoren Nahrung, Energie,
Erwerbsmöglichkeiten und Infrastruktur bestimmt, wobei sie von
dem Minimalfaktor begrenzt wird, d.h. von dem Faktor, der in
ungenügender Menge vorhanden ist.
Anmerken
möchte ich noch, daß heute die Anwendung moderner
medizinischer Erkenntnisse auf den Menschen das menschliche
Leben angenehmer und länger gestaltet; doch für den
eigentlichen Bevölkerungsanstieg ist die Medizin unbedeutend.
Die Auswirkungen der Medizin auf das Leben und Überleben wird
von den meisten Menschen in den Wohlstandsgebieten der Erde
überschätzt, was fälschlicherweise durch das hohe Ansehen der
Mediziner verdeutlicht wird.
Das
Anwachsen der Bevölkerungszahl wird einzig und allein durch das
reichliche Angebot von Nahrungsmitteln und Energieträgern
bestimmt, die nicht rezentem Holz entstammen, denn wäre Holz
wieder der einzige Energieträger, so müßten dann
Ackerflächen in entsprechende Waldflächen umgewandelt werden,
was dann wiederum eine Verringerung der Nahrungsmittel und somit
ein Absinken der Bevölkerungszahl zur Folge hätte.
Berichte über
Dürrekatastrophen und Heuschreckenplagen aus der fernen
Sahelzone Afrikas führen uns deutlich vor Augen, daß die
moderne Medizin nur den Bevölkerungseinbruch beim Ausbrechen
einer Seuche vermindern bzw. vermeiden kann, doch nicht mehr.
Nicht die Mediziner füllen uns den Magen, sondern die
Landwirte. Lebensbegrenzend sind, wie ich schon zuvor sagte,
einzig und allein Energie und Nahrung, einschließlich des
Trinkwassers.
Während der
Dreifelderwirtschaft, also bis etwa 1750 betrug in unseren
Breiten das Verhältnis zwischen Aussaat und Ernte 1 zu 10.
Durch neue Erkenntnisse wie die Anwendung der Düngung, der
Schädlingsbekämpfung, des Fruchtwechsels, der Züchtung
ergiebigerer Sorten, des Einsatzes moderner Agrartechniken usw.
konnte das Verhältnis zwischen Aussaat und Ernte bis heute auf
etwa 1 zu 80 gesteigert werden.
Bei
einer Hungersnot durch eine Mißernte sterben größtenteils die
Säuglinge und Kleinkinder sowie die alten Menschen, denn im
Kampf um die Nahrung bleibt nur die junge fortpflanzungsfähige
Generation Sieger. Da in diesem Fall die fortpflanzungsfähige
Generation weitgehend überlebt, wird der Bevölkerungseinbruch
in kurzer Zeit, d.h. eventuell schon mit der nächsten Ernte
durch eine erhöhte Geburtenzahl ausgeglichen sein.
Unter einer Seuche
leiden alle Generationen gleichermaßen. Da auch hier die
fortpflanzungsfähige Generation stark betroffen ist, vollzieht
sich der Bevölkerungsanstieg nach dem Grassieren einer Seuche
wesentlich langsamer als nach einer Hungersnot.
Jahr |
Einwohner
Hevens |
bis
1750 |
um
200 |
1815 |
362 |
1818 |
487 |
1839 |
892 |
1843 |
1059 |
1858 |
1561 |
1867 |
2059 |
1871 |
2565 |
1875 |
3058 |
1880 |
3623 |
1881 |
3513 |
1885 |
4099 |
1895 |
5808 |
1898 |
5806 |
1900 |
6167 |
1905 |
6237 |
1908 |
6295 |
1910 |
6371 |
1912 |
6405 |
1915 |
6405 |
1917 |
5942 |
1919 |
5961 |
1939 |
7552 |
1946 |
8400 |
1950 |
9324 |
1955 |
12144 |
1956 |
11642 |
1958 |
11706 |
1960 |
12114 |
1962 |
12424 |
1964 |
12610 |
1966 |
13208 |
1968 |
12993 |
1970 |
13505 |
1972 |
13921 |
1973 |
13733 |
1974 |
13930 |
1975 |
13989 |
1976 |
13800 |
1978 |
13608 |
1980 |
13468 |
1982 |
13174 |
1984 |
12826 |
1986 |
12518 |
1987 |
12327 |
1988 |
12398 |
1989 |
12469 |
1990 |
12442 |
1991 |
12389 |
1992 |
12341 |
1993 |
12394 |
1994 |
12243 |
1995 |
12145 |
1996 |
12177 |
1997 |
12054 |
1998 |
11947 |
1999 |
12140 |
2000 |
12260 |
2002 |
12210 |
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